Das Geheimnis des Drehmomentschlüssels

Wer ein Fahrrad hat, braucht einen Drehmomentschlüssel. Stimmt das wirklich? Die Antwort ist: Absolut! Nicht nur wenn du einen edlen Carbon-Renner dein Eigen nennst, solltest du dir einen Drehmomentschlüssel zulegen. Jede*r, die/der ein Fahrrad hat und nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Werkstatt rennen will, sollte einen haben. Warum erfährst du hier! 

Es gibt ein paar Dinge, die zu einem Fahrrad unbedingt dazu gehören. Das eine ist ein Helm, das zweite wäre eine Luftpumpe. Damit hast du die Basics beisammen. Auch ein Drehmomentschlüssel mit verschiedenen Aufsätzen gehört zur Grundausstattung dazu, wenn du dein Bike nicht schon bei einfachen Einstellarbeiten kaputt machen möchtest. Ein Fahrrad hat je nach Fahrradart und Ausstattung rund 40 Schraubverbindungen, und die musst du mit der richtigen Kraftaufwendung anziehen. Früher wurden für Schraubverbindungen oft Angaben wie “handfest” oder “mit aller Kraft” gemacht, heute sind exakte Zahlen die Regel, und der Drehmomentschlüssel misst sie. 

 

Warum braucht dein Fahrrad einen Drehmomentschlüssel?

An einem Fahrrad (egal ob du ein 12-Zoll Kinderfahrrad, ein Highend-Carbon-Rennrad, ein 6000-Euro-Fully oder ein City-E-Bike vor dir hast) gibt es zahlreiche Schraubverbindungen. Du kannst hier die Schrauben nach Gefühl anziehen. Wenn dein Fingerspitzengefühl richtig lag, müsste alles passen. 

Aber wenn du die Schrauben zu locker anziehst, halten die Schraubverbindungen ganz einfach nicht. Der Sattel rutscht dann ständig tiefer, der Lenker lässt sich drehen, oder der Gepäckträger hält nicht. Und wenn du zu fest schraubst … tja. Dann macht es “knack” und irgendwas ist kaputt. Es gibt hier zwei mögliche Horrorszenarien. Entweder die Schrauböse bricht. Zu fest angezogene Fahrradteile können aber auch das Teil, das festgeklemmt werden soll, beschädigen. Zum Beispiel kann ein zu fest angezogener Vorbau einen Carbon-Lenker reißen lassen. Ganz ähnlich kann es auch mit der Sattelstütze passieren. 

Daher haben Schraubverbindungen an Fahrradrahmen und Komponenten oft eine Angabe eingeprägt, die dir verrät, wie fest du eine Schraube anziehen darfst. Das gilt sowohl für die Klemmung, als auch für das Teil, das geklemmt werden soll!

Das angegebene Drehmoment solltest du bei der Montage neuer Fahrradteile möglichst genau einhalten. Bild © Reverse

Ein Drehmomentschlüssel hilft dir dabei, die vorgegebene Kraft genau einzuhalten. So entstehen verlässliche Verbindungen, es geht aber auch nichts kaputt.

Hier einige Fahrradteile, die mit einem Drehmomentschlüssel befestigt werden sollten:

  • jedes Carbon-Teil
  • Lenker im Vorbau
  • Sattelstützen im Rahmen
  • Achsen
  • Anbauteile
  • Pedale
  • Kurbelarme



Das ist das Drehmoment

Damit du weißt, was ein Drehmomentschlüssel kann, und warum du für dein Fahrrad einen brauchst, ist es hilfreich zu wissen, was denn das Drehmoment überhaupt ist:

  • “Das Drehmoment” ist ein Begriff aus der Mechanik, es bezeichnet die Drehwirkung auf einen Körper. 
  • Beim Fahrrad-Schrauben heißt das: Das Drehmoment ist die Kraft, mit der du an einem Schraubenschlüssel ziehst. 
  • Ein Drehmomentschlüssel ist ein Werkzeug, das diese Kraft möglichst genau misst.
  • Hin und wieder findest du auch den Begriff “Anziehmoment”, gemeint ist beim Fahrrad das Gleiche.
  • Der englische Begriff für Drehmoment ist “torque”, du findest ihn häufig im Zusammenhang mit Drehmomentschlüsseln und Fahrrädern.
  • Das Drehmoment wird in Newtonmetern (kurz: Nm) gemessen.

Du findest übrigens noch an einer anderen Stelle der Fahrradwelt eine Angabe in Newtonmetern. Die Kraft, mit der ein E-Bike dich unterstützt, wird ebenfalls in Nm gemessen. Damit du dir darunter etwas vorstellen kannst, hier zum Vergleich: Der Antrieb eines einfachen City-E-Bikes hat etwa 40 bis 50 Nm Drehmoment, ein eMTB kann 85Nm und mehr haben. Eine Schraube am Vorbau ziehst du meist mit 3 bis 6 Nm fest.

 

Drehmomentschlüssel am Carbon-Fahrrad oder für Carbon-Komponenten

Für ein Carbon-Fahrrad brauchst du unbedingt einen Drehmomentschlüssel, auch einzelne Fahrradteile aus Carbon sollten immer mit einem Drehmomentschlüssel befestigt werden. Carbon-Rahmen und Carbon-Komponenten reagieren etwas empfindlich auf punktuelle Belastung, sie können leichter reißen als Teile aus Aluminium oder Stahl. Aus diesem Grund sind hier Schraubverbindungen besonders heikel, und du solltest immer mit einem Drehmomentschlüssel arbeiten!

Zusätzlich zum Drehmomentschlüssel solltest du für dein Fahrrad aus Carbon immer eine Tube Carbonpaste im Werkzeugkasten haben. Die Verbindung zwischen den Fahrradteilen kann so auch bei wenig Anziehkraft deutlich verbessert werden. Alles, was du zu Carbon-Montagepaste wissen solltest, erfährst du in dem Beitrag “Was ist Carbon-Montagepaste und warum brauchst du sie?”.

So funktioniert ein Drehmomentschlüssel

Irgendwo am Drehmomentschlüssel findest du eine Anzeige und die Möglichkeit, das Werkzeug anzupassen, dort kannst du das gewünschte Drehmoment in Nm einstellen.

Über den Drehgriff stellst du die gewünschen Nm ein. Bild © Topeak

Viele Drehmomentschlüssel funktionieren wie eine Ratsche oder Knarre, sie ziehen in eine Richtung Schrauben fest, in die andere “drehen sie durch”. Du kannst den Drehmomentschlüssel auf “links” oder “rechts” einstellen (= greift im oder gegen den Uhrzeigersinn). Das ist zum Beispiel bei der Montage der Pedalen wichtig.

So benutzt du den Drehmomentschlüssel am Fahrrad richtig:

  1. Finde auf dem Fahrradteil, das du montieren willst, das erlaubte Anziehmoment
  2. Stelle die Nm auf dem Drehmomentschlüssel ein
  3. Stelle ihn auf die gewünschte Drehrichtung, links oder rechts
  4. Setze das passende Bit ein
  5. Setze die Schraube zuerst von Hand ein und ziehe sie mit den Fingern etwas fest, dabei merkst du, ob sie verkantet ist
  6. Wenn die Schraube ordentlich im Gewinde sitzt, kannst du sie am Fahrrad mit dem Drehmomentschlüssel festziehen
  7. Wenn das erforderliche Drehmoment erreicht ist, klickt der Drehmomentschlüssel, oder er “knackt” während du ihn drehst

Die goldene Regel des Drehmomentschlüssels: 

Wenn das erlaubte (oder gewünschte oder eingestellte) Drehmoment erreicht ist, und der Drehmomentschlüssel knackt, solltest du SOFORT aufhören, daran zu ziehen!

 Um die Feder im Inneren des Drehmomentschlüssels zu entlasten, musst du ihn auf “Null” stellen, während er im Werkzeugkasten auf seinen nächsten Einsatz wartet. 

 

Welche Drehmomentschlüssel gibt es für Arbeiten am Fahrrad?

Einfache, günstige Drehmomentschlüssel

Es gibt sehr einfache und sehr günstige Drehmomentschlüssel, die immerhin einen Anhaltspunkt geben, wie fest du eine Schraube angezogen hast. Für Carbonteile sind sie eher nicht zu empfehlen!

Dieser Drehmomentschlüssel ist “very basic”, aber er tut was er soll! Bild © Topeak

Digitale Drehmomentschlüssel

Auf einem Drehmomentschlüssel mit digitaler Anzeige kannst du das Drehmoment besonders einfach und genau einstellen. Ihr Nachteil liegt auf der Hand: Du brauchst Batterien!

Die Luxusvariante für echte Fahrrad-Enthusiasten: Der Drehmomentschlüssel mit digitaler Anzeige. Bild © Topeak

Der “normale” Drehmomentschlüssel für Fahrräder

Mechanische Drehmomentschlüssel sind weit verbreitet und sie kosten nicht die Welt. Viele davon haben einen Drehgriff, über den du das Drehmoment einstellst und eine Anzeige, die dir sagt, auf welches Drehmoment dein Tool eingestellt ist. Es gibt einen Kopf, dort werden die benötigten Bits eingesetzt.

Mechanische Drehmomentschlüssel sind für die meisten Arbeiten am Fahrrad perfekt geeignet! Bild © Park Tool

Das Mega-Set für alle Eventualitäten

Jede Menge Bits sind eine Sache. Verlängerungen (also Bit-Halterungen mit Stiel) sind eine andere. Bei einem umfangreichen Drehmomentschlüssel-Set sind viele praktische Teile enthalten, die dir die Arbeit am Bike erleichtern. Für unterwegs ist ein solches Set natürlich weniger praktisch.

Für viele Freizeit-Biker ist dieses Set vielleicht überdimensioniert. Wer aber gerne selbst am Fahrrad schraubt, findet hier alles, was er braucht! Bild © Topeak

Die optimale Ausstattung eines Drehmomentschlüssels fürs Fahrrad

Wie viele Nm (Newtonmeter) sollte ein Drehmomentschlüssel für Fahrräder haben?

Wenn du dir einen Drehmomentschlüssel aussuchst, der 2 bis 14 Nm misst, hast du die meisten Verbindungen am Fahrrad unter Kontrolle. Perfekt wäre ein Tool, das bis 20 oder 25 Nm misst. Häufig werden speziell für Fahrrad-Drehmomentschlüssel 1-25 Nm empfohlen, damit kannst du absolut nichts falsch machen! 

Achtung! Es gibt auch Drehmomentschlüssel, deren Skala nicht in Newtonmetern angegeben ist. Gerade bei billigen Internetschnäppchen kommt das gerne vor. Da Fahrradteile aber in aller Regel Angaben in Nm haben, müsstest du hier umständlich umrechnen, achte daher darauf, dass dein Drehmomentschlüssel fahrradfreundlich in Nm rechnet!

Welche Bits brauchst du?

Ein Torx T25 ist am Fahrrad das Maß aller Dinge, daher sollte ein T25-Bit auf jeden Fall mit in deinem Set sein. Ansonsten sind Torx-Köpfe T10 und T30 die Basics. Außerdem solltest du Innensechskant-Bits (Inbus) mit 2, 2,5, 3, 4, und 6 mm zur Verfügung haben.

Welche Länge sollte ein Drehmomentschlüssel für ein Fahrrad haben?

Je länger der Drehmomentschlüssel, desto größer wird die Hebelwirkung, die du damit erzielen kannst. Wenn du eine Schraube mit einem hohen Drehmoment anziehen willst, hilft dir daher ein möglichst langer “Hebelarm”. Für die eher kleinen Drehmomente am Fahrrad reichen kürzere Werkzeuge, ein besonders langer Drehmomentschlüssel wäre dir eher im Weg!

Drehmomentschlüssel für Linksgewinde und Rechtsgewinde

Wenn du zum Beispiel neue Pedale montieren willst, wirst du feststellen, dass eines ein Linksgewinde hat, das andere ein Rechtsgewinde. Aus diesem Grund kannst du Fahrrad-Drehmomentschlüssel auf “links” und “rechts” einstellen.  

Ganz einfach: L steht für links, R für rechts. Bild © Topeak

Kompakte Drehmomentschlüssel für unterwegs

Kleine Drehmomentschlüssel sind die optimale Lösung für Bikepacker oder Tourenfahrer. Oft sind irgendwo im Werkzeug Bits in verschiedenen Größen versteckt, so kannst du auch unterwegs den Lenker verstellen oder den Sattel neu anpassen. Ihr besonderer Vorteil: Sie sind nicht nur klein, sondern meist auch recht leicht. So passen sie sogar in eine kleine Fahrradtasche oder in die Trikottasche.

 

Ein kleiner, leichter Drehmomentschlüssel passt auf Fahrradtouren locker in die Tasche. Bild © Park Tool

Brauchst du einen speziellen Fahrrad-Drehmomentschlüssel?

Es gibt Hersteller wie Topeak, Birzmann oder Park Tool, die sich auf die Entwicklung von Werkzeug für Fahrräder spezialisiert haben. Es gibt aber auch im Baumarkt Drehmomentschlüssel. Was ist denn nun besser für dein Bike? Die Antwort ist ganz einfach: Werkzeugsets, die extra für Fahrräder zusammengestellt wurden, enthalten in der Regel genau die Teile, die am Fahrrad auch Verwendung finden. In diesem Fall eben den entsprechenden Nm-Bereich und die passenden Bits. Es gibt sogar Sets, die eigens für Rennräder, MTBs oder Tourenbikes konzipiert wurden. Wenn du dich ausschließlich auf eine Fahrradart spezialisiert hast, macht solches Werkzeug vielleicht Sinn, ansonsten kannst du mit Fahrrad-Werkzeug alle Zweiräder wieder flott machen!

 

Titelbild © Topeak

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