Platzangst Progressive Freeride – Ein Interview mit Firmengründer André Horak

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Was Oma‘s Nähmaschine und „der Osten“ mit der bekanntesten deutschen Freeride Bekleidungsfirma zu tun haben? Wir haben uns Platzangst Gründer André Horak geschnappt und ihn zum Interview gebeten.     

  

ALLGEMEIN

Platzangst begleitet den deutschen gravity Sport schon eine halbe Ewigkeit und fand seinen Ursprung im Osten, genauer gesagt in Eisenach um 1999. André Horak selbst war es damals leid in Spandex Kleidung auf dem Mountainbike zu sitzen und begann aus Stoffen von handelsüblichen Terassen Markisen seine eigenen Hosen zu schneidern. Treibende Kraft und Hilfe war dabei seine Oma, aber was sich genau hinter dieser Geschichte verbirgt erzählt er euch am besten selbst.

 

INTERVIEW

Hey André, stell dich doch mal kurz vor und erklär uns wie die zum Mountainbiken gekommen bist.

Ich komme aus Eisenach und somit haben wir topografisch gesehen schon mal perfekte Voraussetzungen um in den Mountainbike Sport einzusteigen. Als dann auch noch die Mauer in Berlin gefallen war und wir Zugang zur westlichen Welt hatten musste sofort ein Bike her - bei mir wurde es dann ein Stahl Hardtail!

 

Also habt ihr schon vor dem Mauerfall die Szene beobachtet oder wie?

Naja es gibt und gab in Eisenach immer die Bombentrichter und dort sind wir auch schon damals gefahren. Da es kein gescheites Material gab, haben wir uns eben vorhandene Bikes umgebaut und zum Beispiel Rollstuhl Reifen montiert und verschiedene Streben in die Klappräder geschweißt um sie stabil zu machen.

 

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Aber euch war schon bewusst, dass es „draußen“ eine richtige Szene bzw. Mountainbike Bewegung gab?

Ja na klar, aber bei uns war es aber eben eher der Eigenbau-Style. Wir haben zum Beispiel einige Telegabeln aus Mopeds in die Bikes gebaut und sind damit dann geshreddet. Irgendwann ist das ganze dann aber auch etwas in Vergesseneheit geraten weil man ein Moped hatte. Da gab es dann den „Sonntagscross“ bei dem wir mit 50 Leuten kleine Rennen gefahren sind, aber auch hier gab es eben nichts, so dass wir uns zum Beispiel mit GFK selbst gescheite Helme gebaut haben.

 

Und wie bist du zurück aufs Mountainbike gekommen?

Naja, ganz weg war das Thema ja nie und in einer kleinen Community haben wir das immer weiter verfolgt. Als ein Kollege dann auch ein richtig geiles Bike hatte sind wir alle schnell nachgezogen um dann am Wochenende eben in Lycras doch wieder auf dem Bike zu sitzen. Hier ist dann eigentlich auch die Idee zu Platzangst entstanden, denn das Lycra Zeug war einfach nicht stabil genug und irgendwie immer kaputt. Wir haben dann angefangen Motocross Hosen zu kaufen und zu modifizieren - Beine ab, Applikationen ab, Belüftungsschlitze rein und so weiter eben. Wir brauchten eine coole, gut aussehende Short die aber eben auch was aushält. Ich hatte den Vorteil, dass meine Großmutter Schneiderin war und sie uns in der damaligen Zone sowieso viele Klamotten umgenäht und angepasst hat, weil keiner von uns in den einheitlichen Ost-Klamotten rumlaufen wollte. Mit 14 habe ich sogar schon meinen ersten eigenen Jackenschnitt gemacht, man war halt in den Ferien viel bei den Großeltern und so habe ich das immer mitbekommen und autodidaktisch aufgesogen.

 

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Super spannend und wie ging es dann weiter mit euren Mountainbike Klamotten?

Mit den Motocross Sachen sind wir irgendwie nicht richtig weitergekommen und irgendwann habe ich zu meiner Oma gesagt: „Oma, wir machen jetzt eine Mountainbike Hose zusammen!“. Aus einem alten Bettlaken haben wir dann das Schnittmuster gemacht, die Hose soweit angepasst und dann stand man halt da und musste weitermachen. Ich habe dann einen Lieferanten gefunden der Cordura Markisen Stoffe hatte und habe von dem Restmengen gekauft. Damit wurde dann tatsächlich der erste Prototyp geschneidert. Das war natürlich noch super einfach gemacht, aber zu der Zeit fuhren meine ganzen Kollegen noch mit Lycra rum und im Wald bei unseren Touren war das Interesse an meiner Hose natürlich riesig. Schnell hatte ich dann alle meine Freunde bestückt und dann ging es recht schnell, dass ich mit meiner Oma so 15 - 20 Hosen pro Jahr genäht habe. Das war aber wegen der einfachen Nähmaschine meiner Oma garnicht so leicht und so habe ich dann in Oberhof eine kleine Manufaktur gefunden wo bessere Maschinen standen. Da habe ich dann Kleinserien machen lassen, auch wenn das noch nicht profitabel war.

 

Und wann und wie kam dann der Schritt, dass du damit kommerziell erfolgreich geworden bist?

Irgendwann haben Daniel Bohne und ich entschieden das ganze größer anzugehen. Ich brauchte dringend jemanden, der in Sachen Vertrieb stark war bzw. die kaufmännischen Seite drauf hatte damit ich mich auf das Produkt an sich konzentrieren konnte. Schnell haben wir all unsere Daten, Muster und so weiter zusammengepackt und sind nach Shanghai geflogen um dort die großen Lieferanten zu treffen. Wir hätten auch entsprechende Deals machen können, aber das dauerte uns alles zu lange und so sind wir erst mal wieder zurück bzw. haben in der Türkei unser Glück versucht. Nach mehreren Anläufen sind wir dann in Istanbul gelandet, wo wir 2004 die erste Produktion auf die Beine gestellt haben - eine Zip Off Hose und zwei Jerseys in verschiedenen Farben.

 

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Und von diesem Zeitpunkt an ging es dann steil bergauf oder wie?

Nunja, wie das am Anfang so ist gibt es Probleme. Wir mussten beispielsweise alle Knöpfe der ersten Kollektion nachnieten, weil diese alle abgefallen waren. Als wir fertig waren und den Onlineshop eröffnet haben, war die Nachfrage so groß, dass schnell alles ausverkauft war. Naja, und dann kamen die ersten Reklamationen, weil die Nähte aufgerissen sind. Wir haben dann mit den Kunden gesprochen und viele waren so begeistert von dem Produkt und der Idee an sich, dass diese Qualitätsmängel für uns nicht zum Problem wurden. Als wir dann im September, also zum Saisonende nichts mehr im Lager hatten sind wir mit der anstehenden Produktion nach Taiwan gewechselt und haben das Spiel auf ein neues Level gebracht für uns. Die Qualität und die Möglichkeiten waren hier einfach viel besser. Das war letztendlich auch gleich eine Punktlandung denn die Qualität war top von den fertigen Produkten.

 

Wie lief es dann weiter in Sachen Vertrieb, als die Sachen da waren?

Die Leute waren interessiert und auch kleinere Bikeshops dachten, dass unsere Produkte gut bei ihnen reinpassen würden. So konnten wir uns dann recht schnell etablieren. Es kamen dann nach Deutschland auch Distributionen in Österreich, der Schweiz und Tschechien dazu. Wir haben aber eigentlich nie wirkliches Marketing betrieben sondern das Produkt selbst für sich sprechen lassen. Und da wir alle selbst fahren und einen hohen Wert auf Innovation legen, haben unsere Produkte davon natürlich profitiert. So sind wir tatsächlich fast 10 Jahre lang ohne Marketing gefahren und haben uns in diesem Bereich doch zu einer stattlichen Marke etabliert. Die Leute, auch wenn unsere Freeride Hosen natürlich eine Nische sind, stehen auf die vielen Details, die Belüftungen und natürlich den super robusten Stoff. Nicht zu vergessen ist auch das Preis Leistungsverhältnis stark! Und dieses Gesamtpaket kommt beim Kunden natürlich gut an!

 

Du sprichst die Nische an, kommt von Platzangst noch mehr in Zukunft um das Portfolio zu erweitern?

Na klar, es kommen stetig Wettbewerber hinzu und so sehen wir uns auch in der Pflicht Neues zu probieren. Wir sind nach wie vor keine Race-Marke, aber es gibt stetig jede Menge Neuerungen im Platzangst Portfolio. Wir haben kurze und lange All Mountain Hosen, verschiedene Jerseys, Enduro Shorts, Regenjacken und auch ein paar lockerere Streetwear Sachen, die trotzdem noch zum Biken taugen. Früher ist man mehr im Bikepark gewesen und heute fahren halt alle All Mountain oder Enduro, da muss man sich eben auch als Marke ein wenig anpassen und ganz abgesehen davon wollen wir selbst ja auch solche Klamotten für uns haben (lacht). Unser Hauptprodukt ist und bleibt allerdings die „Bulldog“ Hose die ja im Prinzip aus dem ersten Prototypen von damals entstanden ist. Des weiteren gibt es dann auch noch Produkte die nicht direkt etwas mit dem Biken an sich zu tun haben. Wir haben eine Reisetasche, kleine Taschen zum sortieren von Kleinkram, Keyholder, einen Tube, Socken, Caps und einen Hipbag. Man kann sich also im Grunde von A bis Z ausstatten bei uns.

 

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Eine wahnsinnige Geschichte! Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und sind gespannt was von eurer Seite noch so kommt!

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